Nächste Ausfahrt: Alltag

Das Leben im Großherzogtum und in der Großregion
Alltagsgeschichten und besondere Momente prägen die Reportagen. Es sind Berichte aus eher unbemerkten Ecken Luxemburgs, wo er die Besonderheiten aufspürt, die den Charme dieser so eigenwilligen Region ausmachen.

In diesem Band taucht der Autor in die lebendige Geschichte der Region ein und wandelt auf den Spuren der alten Postreiter, besucht originelle Museen und beobachtete den Strukturwandel, der Luxemburg immer wieder räumlich und politisch umkrempelt – mal zum Guten, mal nicht so. JEM ist in einer Gemeinderatssitzung einer Gemeinde die es jetzt so nicht mehr gibt, trifft einen Hähnchenverkäufer, besucht eine alte Schmiede und redet mit mit einem Sammler des alten luxemburgischen Liedguts. Er begegnet einem Wolf, der sich ins Großherzogtum verirrt hat und stellt fest, dass Luxemburg einen Weltmeister hat – im Rasicross. Von Seniorengospelchören über Vereinsausflüge bis zur Ehrung eines alten Bahnhofs, den keiner mehr brauchte aber alle vermissen, führt der Autor uns herum und schaut den Luxemburgern auch wieder auf die Finger: Erneut hat er allerlei Zettel gefunden, die er vorstellt – diesmal aber ergänzt um das fachliche Urteil eines Grafologen.

ISBN 978-99959-812-1-1
196 Seiten DIN A5
Preis 16,80 Euro

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Vermerk: Nächste Ausfahrt: Alltag
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Leseprobe:

Flashback: Wir sind in den 70er-Jahren. Die Regierung Thorn-Vouel entstaubte gerade das konservative Luxemburg, die George Baker Selection sang Paloma Blanca, Alain Barrière brachte den Slow Tu t’en vas, es gab Sweet, Udo Jürgens, Abba und Rod Stewart sang mit seiner Reibeisenstimme Sailing.  – Die Hall 75 war Samstagsabends der place to go.
Sie kamen, trotz Ölkrise, mit Renault R4, R5, Audi 100, 80 oder dem legendären Simca 1000, der Golf 1 tauchte auf und der Sicherheitsgurt wurde Pflicht. Getragen wurden modische Schlaghosen und die Mädels hatten Steckfrisuren. Am Wochenende traf man sich in der Hall 75. Die Challangers und Fascination waren die angesagten Orchester dieser Epoche.
»Wir hatten damals in der Halle eine Rutschbahn von der Mezzanine, auf der man bis unten in den Saal rutschen konnte. Auf dieser Mezzanine war die Bar, die der Gast über eine Wendeltreppe erreichte. Das war schon ein starkes Stück«, erzählte der Käerjenger Leon L. Er erinnert sich gerne, mit einem genüsslichen Lachen auf dem Gesicht, an die damalige tolle Stimmung in der Halle und an die Besucher aus dem nahen Belgien und Frankreich.
Ein Käerjenger Feuerwehrmann erzählt über diese Zeit und die Anfänge der Halle: »Wir hatten die großen Bälle Mufoclippo1, wo Herr Dallière Direktor war. Bis zu zweitausend Eintritte wurden an diesen Abenden gezählt. Bei Mufoclippo spielte fast immer das Orchester Fascination, manchmal mussten die Beamten der Gendarmerie aus Bascharage, verstärkt durch die Kollegen aus Differdingen und Petingen, bei Schlägereien zwischen den Gruppen aus Belgien, Frankreich und Luxemburg mit den Schlagstöcken eingreifen. Einige der besoffenen Gäste knallten im Inneren der Halle die leeren Biergläser gegen die Blechwand. Die aus Belgien und Frankreich kamen nur, um Schlägereien zu provozieren.« Aber die Vereinskassen der Organisatoren füllten sich, es war einiges los.
Das mit den großen Festen ging solange gut, bis sich die Anrainer über hohe Schäden in ihren Kleingärten, die ans Gelände der Halle grenzten, beschwerten und eine Beachparty, für die einige Tonnen Sand in die Halle gefahren wurden, derart ausartete, dass sie mit einem größeren Polizeieinsatz beendet werden musste. Da sah sich der damalige Bürgermeister genötigt, große Feste in der Halle zu verbieten.
Guy K., Musiker bei den Fascination, der oft in der Halle spielte, erinnert sich gerne an die Abende in Bascharage: »Vorher spielten wir in einem Home in Bascharage und dann später in der Hall 75.« Aufgefallen sei in Bascharage immer die tolle Stimmung und dass viele Fans aus Belgien und Frankreich anwesend waren. Er erinnert sich aber auch an einen Abend, als sie wegen Schlägereien mit dem Spielen aufhören mussten.
Feste zu feiern war eine der Hauptaktivitäten in dieser Halle, was das Gemeinderatsmitglied Leon L. bei der Beschlussfassung zum Abriss der Hall 75 zu folgendem Kommentar veranlasste: »Déi Hal muss awer mat drei Hären begruewen gin.«
Die Hall 75, die in ihren alten Tagen noch eine Weltkriegsausstellung beherbergte und in der die gëlle Fra glänzte, wurde außer den Festen für Kongresse und sämtliche lokale Feiern genutzt. Wahlversammlungen, Ausstellungen, Informationsversammlungen, kleine Messen und Parteikongresse sowie schulische Aktivitäten fanden dort statt. Sie war der Allrounder schlechthin.

Es begann in den frühen 70er-Jahren, als die Vereinswelt in Bascharage eine Halle zum Feiern brauchte. Die Verantwortlichen der Gemeinde Bascharage unter Bürgermeister Robert St. hatten andere Probleme und der Bau einer Festhalle genoss damals keine Priorität.
Der Industrielle Alain D. war Präsident der Musikgesellschaft, Henri M. war Kommandant der Feuerwehr und der Bustransportunternehmer Henri S. leitete das Syndicat d’Initiative Bascharage. Diese drei Männer bürgten damals mit ihrem eigenen Geld bei der Anleihe, die für den Bau der Halle benötigt wurde.
Die Gemeinde stellte dann das Grundstück und beteiligte sich an Bau. Der Name entstand eben durch das Baujahr 1975. Später übernahm die Gemeinde die Halle und sie wurde nur noch für maximal 500 Personen zugelassen.

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